Nach dem Tabubruch der Ministerpräsidentenwahl vor einem Monat, erlebte Bodo Ramelow eine Zitterpartie von knapp zwei Stunden, bis es soweit war. Sowohl im ersten als auch im zweiten Wahlgang konnte die erforderliche Mehrheit nicht erreicht werden. Da im dritten Wahlgang lediglich eine relative Mehrheit zählt, waren die 42 Ja-Stimmen von Rot-Rot-Grün nun ausreichend für seine Wahl zum Ministerpräsidenten. Neben den 23 Nein-Stimmen der Abgeordneten gab es 20 Enthaltungen. Bodo Ramelo ist somit wieder Ministerpräsident des Freistaates Thüringen. Dieses Amt hatte er zunächst vom 5. Dezember 2014 bis zum 5. Februar 2020 inne – danach wurde es bis heute von Thomas Kemmerich (FDP) geschäftsführend bekleidet.
Man ahnte zwar bereits am Ergebnis der Landtagswahl Thüringen Ende Oktober des letzten Jahres, dass bei der Regierungsbildung viel Phantasie gefragt sein werde, doch dass es bei der Wahl des Ministerpräsidenten zum Eklat kommen würde, hätte man sich nicht träumen lassen:
Am gestrigen 5. Februar 2020 verlor AmtsinhaberBodo Ramelow (Linke) im dritten Wahlgang gegen FDP-Politiker Thomas Kemmerich und wurde so mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Dieser Akt ist unglaublich, verantwortungslos und geschichtsvergessen. Noch am Abend riefen führende Bundespolitiker von CDU, CSU und FDP zu Neuwahlen auf; BundeskanzlerinAngela Merkel, die gestern in Pretoria weilte, ließ heute über die Medien verlauten, dass «Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen sei ein Vorgang, der mit „einer Grundüberzeugung der CDU gebrochen hat“» und weiter dieser “Vorgang unverzeihlich, Ergebnis muss rückgängig gemacht werden“. Proteste waren sofort im Gange, doch in Thüringen blocken die Landesvertreter der beiden Parteien ab und Kemmerich beharrt auf seiner Wahl. Kann sich Geschichte wiederholen? ZDF-Chefredakteur Peter Frey sprach gestern den passenden Kommentar zu diesem Tabubruch, indem er u.a. an das Jahr 1924 erinnerte, als erstmals völkische Abgeordnete in Thüringen einer Regierung zur Mehrheit verhalfen… Es gibt nur einen Ausweg: Neuwahlen.